Philipp Burkard (Leiter Science et Cité, Gastautor) [1]
Wir können nicht davon ausgehen, dass sich ein breites Publikum für unser absolutes Spezialgebiet interessiert. Einfach nicht!
An dieser Stelle könnte man als Kulturwissenschaftlerin, Linguist oder Historiker auch den Bettel hinschmeissen. Doch diesen Kurzschluss möchte ich nicht zulassen. Forschende der Geisteswissenschaften sind gefordert, aus ihren Themen punktuell Gegenstände herauszupicken und einem breiten Publikum näherzubringen. Indem wir ein Thema öffnen und in einen grösseren Zusammenhang bringen, können wir Beiträge zu einem demokratischen Diskurs leisten sowie kritisches Denken anregen. Idealerweise schaffen wir damit eine Hilfestellung und unser Publikum zieht aus den Informationen, die wir ihm in zugänglicher Form aufbereiten, einen praktischen Nutzen. Soweit die Theorie. Doch wie schaffen wir uns in einem Diskurs, in dem geisteswissenschaftliche Studiengänge oftmals als ‘Wohlfühl-Fächer’ abgetan werden, Gehör? Ein Blick in die Praxis beweist: Die Ausgangslage ist eigentlich gar nicht so schlecht, im Gegenteil.
Wissenschaft interessiert mehr als Sport
Die Schweizer Bevölkerung hat ein offenes Ohr für relevante Forschungsergebnisse. Glaubt man dem Wissenschaftsbarometer der Universität Zürich, rangieren Wissenschaft und Forschung interessenmässig sogar nur knapp hinter der Politik auf Platz zwei. Der Haken an der Sache: Unter Wissenschaft werden gemeinhin vor allem die Medizin und naturwissenschaftliche Fächer verstanden. Anders als diese Disziplinen, sind die Geistes- und Sozialwissenschaften in den klassischen Medien zwar durchaus präsent, allerdings über sämtliche Ressorts verteilt. Daher werden sie weniger bewusst wahrgenommen und geraten im schlimmsten Fall sogar in Vergessenheit.
Lösung des Problems? Zurück zu den Wurzeln!
Geisteswissenschaft – und insbesondere Philosophie – beginnt mit dem direkten Austausch. Sokrates hat es bereits auf der Agora vorgemacht: Er hat seine Ideen auf dem Marktplatz vorgestellt und mit der Bevölkerung diskutiert. Die Aufgabe der Forschenden ist es, diesen Dialog aktiv zu fördern. Indem sich GeisteswissenschaftlerInnen als Experten für ein gesellschaftlich aktuelles Thema anbieten, kann dies gelingen. Dabei muss allerdings die harte wissenschaftliche Arbeit in eine populäre Form übertragen werden: Wir müssen übersetzen, unbedingt! Es ist Auftrag der Wissenschaft, sich auf die Gesellschaft einzulassen. Zugegeben, das Wissenschaftssystem setzt diesbezüglich oftmals falsche Anreize – die Auflistung von Auszeichnungen und Stipendien zählen im Lebenslauf in der Regel mehr als die Teilnahme an einem Wissenschafts-Café oder die erfolgreiche Vermittlung von Wissen. Dennoch: Wenn sich die Geisteswissenschaften auch im 21. Jahrhundert behaupten möchten, führt kein Weg an einer offenen, verständlichen Wissenschaftskommunikation vorbei.
Fünf Schritte zu einer erfolgreichen Wissenschaftskommunikation
(Geistes-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können sich für die Kommunikation ihrer Forschung an folgenden fünf Punkten orientieren:
Den Geisteswissenschaften fehlt es mitnichten an spannenden Forschungsergebnissen oder noch offenen Fragen. Die Grundlagen, um wissenswerte Inhalte an ein breites, interessiertes Publikum zu bringen, sind also vorhanden. Für den Sprung aus dem Elfenbeinturm auf die kleine oder grosse Bühne fehlt uns meistens einzig eine Prise Selbstvertrauen und Offenheit.
Und daher lautet mein wichtigster Ratschlag: «Habt Mut und zeigt euch, liebe GeisteswisschenaftlerInnen!»
[1] Der Artikel basiert auf einem Vortrag im Rahmen des Forschungstags der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern am 13. Mai 2019.
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